UNESCO, Circo FantazzTico, Tod eines Dorfbewohners

Hallo ihr Lieben,

leider habe ich viel zu lange nichts mehr von mir hören lassen. So viel sei gesagt: Es war viel los und ich habe viel erlebt. Erst jetzt habe ich wieder die Zeit gefunden, mich hinzusetzen und einen Bericht zu schreiben. ich muss noch viel nachholen. Hier folgen also die ersten Ereignisse, u.A. der Besuch der UNESCO, ein Auftritt des Circo FantazzTico und die Geschichte, wie ich das erste Mal ein Grab mit ausgehoben habe.

 

Besuch der UNESCO

Zu allererst möchte ich euch von dem Treffen mit der UNESCO berichten, welches Mitte Oktober hier im Gemeindesaal stattfand. Bei diesem Treffen sollte es, falls ich es richtig verstanden habe, darum gehen, den „Kulturwert“ dieser Region zu ermitteln. Es kamen vier Vertreter der Abteilung für Zentralamerika, drei Frauen, ein Mann, der aber, so glaube ich, nur der Fahrer war. Das Treffen verlief am Anfang nicht besonders gut. Die Teribe fingen an ihre Situation darzustellen, wobei sie aber sehr schnell sehr weit vom eigentlichen Gegenstand des Treffens, nämlich der indigenen Kultur, abdrifteten und nur noch von der Staudammproblematik erzählten. Irgendwann ergriff dann eine der UNESCO-Vertreterinnen das Wort um das Ganze wieder auf den richtigen Pfad zu bringen. Am Ende gab es noch Kaffee und Kuchen für die Gäste und wir verabschiedeten sie herzlich. Es wäre natürlich super für unseren Kampf gegen das Staudammprojekt „El Diquis“, wenn die UNESCO diese Region als kulturell wertvoll einstufen würde. Ich bin gespannt, was sich da ergibt.


Circo FantazzTico

Am letzten Mittwoch des Oktobers fand in San Isidro ein „großer“ Autritt des Circo Fantazztico statt. Dazu waren mein Nachbar Daniel und ich herzlich eingeladen worden und so konnten wir uns die Show natürlich nicht entgehen lassen! Dazu muss man wohl noch einmal über den eben genannten Zirkus ausklären: Der Circo FantazzTico ist ein soziales Projekt, das mittlerweile ausschließlich von Freiwilligen geleitet wird, was wirklich nicht einfach ist! Dieser Zirkus versucht vor allem die armen Kinder von der Straße zu holen und ihnen neue Perspektiven für ihr Leben aufzuzeigen, aber generell können auch andere Kinder am Zirkus teilnehmen. Der Höhepunkt des Ganzen sind immer die Auftritte, für die die Kinder lange trainieren. Und genau so ein Auftritt stand also an.

Dieser war wirklich beeindruckend, vor allem, wenn man weiß, wie die Trainings meistens ablaufen, dass die Kinder eigentlich von der Straße kommen und die meisten von ihnen sehr schwierig sind. Es schien als würden die Kinder die Show aus dem Nichts herzaubern. Auch die Freiwilligen des Zirkus sind immer wieder beeindruckt, wie die Kinder das immer machen. Hinter dem ganzen Auftritt steckte sehr viel Arbeit und Organisation. Es kamen aber nur wenige Zuschauer (50), wesentlich weniger als erwartet (200). Das fand ich wirklich schade, denn die Darbietung war einfach toll! Ich habe den Auftritt sehr genossen, gelacht und viel gestaunt. 

 

Tod eines Dorfbewohners

Nun zu etwas Traurigem. Am 26. Oktober fand in Térraba eine Beerdigung statt. Ein Mann war natürlichen Weges am Alter gestorben. Der Mann ist immerhin 93 Jahre alt geworden, was ich erstaunlich alt finde in Hinsicht auf die jetzigen und damaligen Lebensbedingungen in Térraba.

Als ich am Morgen des Vortages gegen 9:30 Uhr Jerhy sah, wie er mit Gummistiefeln, einer Schaufel und einer Gallone Chicha (traditionelles alkoholisches Getränk der Indigenen) loslaufen wollte, musste ich natürlich wissen, was er vorhatte. Er sagte dann, dass einer der Alten gestorben sei und er nun mithelfen müsse das Grab zu schaufeln. Er fragte, ob ich nicht mitkommen wolle um zuzugucken. „Claro!“, sagt ich, denn Beerdigungen und das Thema Tod allgemein sind ja nunmal ein wichtiger Teil der indigenen Kultur. Ich, normal angezogen mit Kamera, Sandalen und den guten weißen Socken - man könnte sagen im typischen Touri-Outfit - ging also mit.

Wir liefen einen Weg, den ich vorher noch nie gegangen bin. Auf dem Weg erfuhr ich dann, dass es in Térraba Brauch ist, dass alle Männer des Dorfes, die können, irgendwie mithelfen müssen, das Grab für den Toten auszuheben. Dies ist also eine Gemeinschaftsarbeit, jeder gräbt mal für eine Weile, dann ist ein anderer daran zu graben. Nachdem wir das Dorf verließen, erstreckten sich neben dem Weg nur noch Kuhweiden, die aber traurigerweise nicht den Indigenen gehören, sondern irgendwelchen Siedlern. Jerhy hat mir dann erklärt, dass früher viele Ticos herkamen um sich hier anzusiedeln. Da die Indigenen es nicht gewohnt waren viel Geld in den Händen zu halten und generell nicht sehr gebildet waren, haben sie ihr Land/Wald sozusagen für ‘n Appel und ‘n Ei an die Siedler verkauft. So sind mittlerweile 90% des eigentlich unveräußerlichen indigenen Territoriums in den Besitz von Ticos übergegangen, auch wenn Gesetze dies ausschließen, denn rechtlich ist es für einen Nicht-Indigenen nicht möglich Land in einem indigenen Territorium zu besitzen. Letztlich haben die meisten Indigenen hier aber so ihre Lebensgrundlage verloren und sind dementsprechend verarmt.

Schließlich kamen wir am 1 km außerhalb des Dorfes gelegenen und daher einsamen Friedhof an. Einige Männer waren schon länger in der Hitze am Arbeiten, aber es wurde ja seit Beginn der Arbeit (6 Uhr morgens) bereits mehrfach durchgewechselt und so mancher ist schon wieder nach Hause gegangen. Ich wurde natürlich von den meisten, die mich noch nicht kannten etwas komisch angesehen nach dem Motto: „Was hat denn der „Gringo“ auf unserem Friedhof verloren?!“

An dieser Stelle eine Information für euch: „Gringo“ ist in Costa Rica der Ausdruck für einen US-Amerikaner, was hier aber generell erstmal jedem Weißen unterstellt wird. Die Costa-Ricaner haben ein zwigespaltenes Verhältnis zu den „Gringos“. Auf der einen Seite mögen sie sie, denn die „Gringos“ hätten ja viel Geld, schufen Arbeitsplätze und seien allgemein mächtige Personen, Manche hätte auch sehr gute Intentionen. Auf der anderen Seite seien „Gringos“ arrogant, skrupellose Investoren, sie tränken zu viel und würden den Costa Ricanern ihre Frauen wegnehmen. Außerdem hat Costa Rica eine lange Vorgeschichte mit den USA, welche ich an dieser Stelle nicht weiter ausführen möchte. Ein Gringo wird daher immer sehr sehr kritisch eingeschätzt und vorverurteilt.

Nun wieder zum Friedhof. Die anderen Teribe-Männer (ca. 10) waren schon länger am Graben, welches sich wie folgt gestaltete: Ein oder zwei Mann standen im Grab am Schaufeln und der Rest stand um das Grab herum, erzählte sich gegenseitig lustige Anekdoten des Verstorbenen und andere Witze. Es wurde natürlich reichlich Chicha getrunken. Nach 15 min. wird gewechselt. Es wurde viel und herzlich gelacht. Das Lachen der Männer muss man sich sehr laut, schrill, dabei aber natürlich vom Herzen her vorstellen. Meist war einer ganz normal am Reden, die anderen hörten zu und plötzlich brüllten alle los vor Lachen. Ich hab zwar die ganze Zeit nichts von den Witzen verstanden, aber das Lachen der Leute war einfach unheimlich ansteckend und komisch, sodass ich auch viel Spaß hatte.

Irgendwann war dann auch Jerhy dran. Ein Bekannter fragte dann, ob ich Jerhy nicht helfen wolle, doch ich zögerte. Nach ein paar Minuten ergriff ich dann doch die Gelegenheit, stieg zu Jerhy ins Grab und half zu schaufeln was das Zeug hielte. So kam es dazu, dass ich das erste Mal in meinem Leben ein Grab geschaufelt habe bzw. mitgeholfen habe eines auszuheben. Das war eine sehr skurile Erfahrung für mich, vor allem, weil die Leute um mich herum sich so köstlich amüsiert haben. Nach ca. 15 min. war ich fertig und stieg wieder aus dem Grab. Nachdem ich zuerst sehr misstrauisch beäugt worden war, hatte ich nun die Anerkennung innerhalb der Gruppe gewonnen und mir wurde mehrfach angeboten bzw. viel mehr aufgedrängt Chicha zu trinken.

Leider waren meine weißen Socken nun braun und auch der Rest meiner Klamotten war nicht verschont geblieben. Als wir wieder zu Hause ankamen, sagte mir mein anderer Gastbruder Edgar, dass ich meine Kleidung und Sandalen nun waschen müsste, da sie die Erde der Toten an sich hätten und um diese nicht zu verärgern, müsste ich jedes Teil meiner Kleidung seperat waschen. Ich tat dies selbstverständlich.

Abends ging es dann noch zur Totenwache beim Haus des Verstorbenen, wo eben dieser aufgebahrt war. Das Haus sollte eigentlich jeder im Dorf irgendwann in der Nacht für zwei Stunden besuchen kommen, um dort zusammen auf die Leiche aufzupassen. Aber nicht jeder nimmt diese unangenheme Pflicht ernst. Mein Gastvater Enrique und ich setzten uns also für exakt zwei Stunden vor das Haus und warteten. Währenddessen erhaschten wir einen kurzen Blick auf den Toten. Ich wollte ja schließlich wissen, für wen ich am Morgen ein Grab geschaufelt hatte. Dies war das erste Mal, dass ich einen Toten gesehen habe. Ein trauriger Anblick. Nachdem die zwei Stunden um waren, gingen wir nach Hause.

Die Beerdigung am nächsten Morgen fand in Anwesenheit der Familie und Bekannten statt, aber es waren auch Schulklassen gekommen, um sich das Ganze anzuschauen. Die Zeremonie war eher einfach gehalten. Ein Mann begann die Beerdigung einzuleiten, danach erzählten ein paar Leute von dem Verstorbenen, zwischendurch wurde ein bisschen Gitarre gespielt und gesungen. Schwierig zu verstehen dabei fand ich die Tatsache, dass die Religionen (Naturreligion und Christentum) vermischt worden sind. So wurde zum einen Jesus Christus gepriesen, auf der anderen Seite wurde aber auch der Naturgott Sbö angesprochen, dass er den Toten gut aufnehmen sollte. Auch wenn ich den Toten nicht kannte, war es sehr traurig. Zu guter letzt wurde der Sarg in die Erde gelassen, mit dieser überschüttet und es wurden Blumen auf dem Erdhaufen angepflanzt.

Im nächsten Eintrag werde ich euch von Meinem Wochenende in/nahe den Mangrovenwäldern von Osa berichten. Ihr könnt euch also schon auf meinen nächsten Beitrag freuen :-)

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