Teil eines großen Ganzen
Das PH Diquis stellt im internationalen Geschehen keineswegs einen Einzelfall dar. Die internationale Entwicklungspolitik treibt Projekte dieser Art auf der ganzen Welt voran. Für das Gebiet von Mittelamerika wurde ein Gesamtplan gefasst, der Plan Puebla-Panamá, nun umbenannt in Meso-American Integration and Development Project (MIDP). Offizielles Video (Englisch)
Der Plan Puebla-Panamá
Entnommen aus einem kritischen Bericht über den Plan Puebla-Panamá von Laura Carlsen vom 9.10.2009:
„Der Plan Puebla-Panamá (PPP) wurde vom mexikanischen Präsidenten Felipe Calderon bei einem Treffen in Campeche, Mexiko im April 2007 neu eröffnet. Auf dem „Tuxtla-Gipfel“ im Jahr 2008 wurde der
PPP neu getauft auf den Namen "Meso-American Integration und Development Project" (MIDP). Man fühlte sich gezwungen, den Namen wegen des weit verbreiteten lokalen, nationalen und internationalen
Widerstandes gegen den PPP zu ändern.
Das Projekt hat sich sehr wenig von der ursprünglichen PPP geändert, entworfen, um ausländische Investitionen zu erleichtern und die Region an die Bedürfnisse der US-Wirtschaft zu binden.
Projekte mit Priorität, die derzeit unter dem MIDP laufen, umfassen den Bau eines vernetzten Stromnetzes für Zentralamerika (SIEPAC) mit einer Übertragungsleitung von Guatemala bis Panama, den
Bau von 381 Staudämmen, ein 10.209 km langes Netz von Fernverkehrsstraßen in ganz Mesoamerika, Agrarindustrie und den Bau von Biodieselanlagen.
Die neue Version des Entwicklungsplanes fügt ein paar soziale Projekte in Bildung und Gesundheit hinzu und schafft einen neuen institutionellen Rahmen. Allerdings ändert sich das Modell der
Integration / Fragmentierung nicht, die ausgerichtet ist auf den internationalen Markt und die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen durch transnationale Konzerne.
Die einzelnen Projekte bedeuten ernsthafte Schäden an der Umwelt, die Verdrängung der lokalen Gemeinschaften, der kleinbäuerlichen Landwirtschaft und Fischerei-Aktivitäten. Obwohl das MIDP einige
Mechanismen für die Konsultation mit den betroffenen Gemeinden enthält, fallen diese weit von der Einhaltung der notwendigen Menschenrechtsstandards, welche in der Konvention 169 der
International Labour Organization (ILO) und anderen Konventionen hergestellt sind.“
Entwicklungspolitik
Ein großes Problem in den Entwicklungsländern, zu denen Costa Rica noch immer zählt, liegt darin, dass meist keine eigene natürliche Entwicklung vollzogen werden kann, sondern von außen
(Industriestaaten, vor allem USA) eine Entwicklung künstlich aufgezwungen oder gar verhindert wird, um eigene Interessen durchzusetzen. Dabei geht es meist um große einzelne Projekte, von denen
natürlich bestimmte Unternehmen profitieren. Diese Projekte helfen dem gemeinen Volk direkt wenig. Es fehlt dabei ein ganzheitlicher, makroökonomischer Ansatz, sodass eine nachhaltige und „gute“
Entwicklung von der Bevölkerung selbst aus entstehen könnte. Dazu ein Filmtipp von mir: „Let‘s Make Money“ (nur Trailer
frei verfügbar) oder auch Zeitgeist Addendum - Bekenntnisse eines Wirtschaftskillers Teil 1 und besonders ab Mitte von
Teil 2. Auch die Europäische Union ist nicht unschuldig: Im Rohstoffrausch: Wie die EU-Handelspolitik Entwicklung untergräbt
Ganz so dramatisch wird es in Costa Rica nicht ablaufen - wie schon gesagt Costa Rica ist in dieser Region ein Ausnahmestaat - aber dass die führenden Politiker bestochen werden bzw. von
bestimmten Entscheidungen selbst profitieren, ist allgemein bekannt im Land. Nicht umsonst gehören die Familien der ehemaligen Präsidenten zu den reichsten des Landes. Auch kann ich durchaus
einige Punkte der „Corporatocracy-Theorie“ (ab Mitte von Zeitgeist Addendum - Bekenntnisse eines Wirtschaftskillers Teil
2) sehr deutlich in Costa Rica wiederfinden, aber das würde an dieser Stelle zu weit führen... Ich möchte jedoch noch einmal darauf hinweisen, dass das Staudammprojekt Diquis natürlich mit
von der Weltbank finanziert wird. Leider werden alle Angaben zu den beteiligten Unternehmen vom ICE strikt geheim gehalten.
Auf Seiten der costa-ricanischen Regierung wurde wie folgt Stellung zu einem Gesetzesvorschlag genommen, der die Rechte der Indigenen stärken sollte (Garantie von Autonomie). Gleichzeitig
spiegeln diese Zitate auch die Einstellung zur Entwicklungspolitik (PH Diquis) wieder:
„Es ist wichtig, dass ein Gesetz, das die Minderheit schützt, nicht die gesamte nationale Entwicklung gefährdet.“ - Laura Chinchilla, Präsidentin Costa Rica
„Erhält die indigene Bevölkerung bei ihr Territorium betreffenden Entscheidungen ein Mitspracherecht, könnte das für das Land den Verlust dieser wertvollen Ressource bedeuten.“ - Teófilo
de la Torre, Umweltminister Costa Rica
Übrigens: Ähnliche Positionen zur Priorität der eigenen wirtschaftlichen Entwicklung über Menschenrechte und Umweltschutz haben seit langer Zeit auch schon Regierungen vieler anderer Länder
inoffiziell bezogen, wie z.B. China, Brasilien, oder Nigeria. Es gibt jedoch zwei Dinge, die Costa Rica von diesen Ländern unterscheidet:
Zum einen ist in Costa Rica Naturschutz wirklich groß geschrieben, sowohl im Gesetz, als auch in den Köpfen der Menschen! 27% der Fläche Costa Ricas sind immerhin Naturschutzgebiete. Daher wird
viel Rücksicht auf die Umwelt genommen. So wurde beispielsweise am 8.11.2011 ein Gesetz verabschiedet, das den Tagebau, was Bodenschätze betrifft, verbietet. Hier ein paar Artikel zu der
traurigen Realität in anderen Entwicklungsländern:
- Öl-Boom schürt Menschenrechtsverletzungen
- Brasilien: Die Wirtschaft wächst, der Wald stirbt
- Nigeria: Klage gegen Shell wegen irreführender Informationen zur Ölverschmutzung
Der andere und noch viel wichtigere Unterschied ist der, dass Costa Rica kein Militär besitzt. Dementsprechend werden die Menschen in Costa Rica nicht gewaltsam vertrieben, um an die wertvollen Ressourcen - welcher Art auch immer - zu gelangen, sondern die Regierung muss sich die Menschen oder das, was sie will, erkaufen. Dies gestaltet sich nicht allzu schwierig, da diese Zielgruppen (Minderheiten) der Bevölkerung generell sehr arm und ungebildet sind. An dieser Stelle ein weiterer Filmtipp meinerseits: „Land unter Strom“ über weitere Staudammprojekte in Mittelamerika, leider ist nur ein Trailer frei verfügbar. Weitere Artikel:
- Brasilien: Brutale Angriffe auf Guarani-Indianer (Sep. 2011)
- Brasilien: Gewalt gegen Guarani-Kaiowá (Nov. 2011)
- Guatemala: Konzerne lassen Bauern für „Biosprit“ brutal vertreiben
- China: Drei-Schluchten Staudamm verletzt die Menschenrechte
-
Verweigertes Menschenrecht auf Trinkwasser
Erdöl und Menschenrechte
Ausblick
Abschließend möchte ich ein Zitat des Auswärtigen Amtes anbringen:
„Costa Rica ist - was politische Stabilität und sozialen Frieden angeht - im zentralamerikanischen Kontext ein Musterland, das verfassungsmäßig und institutionell teilweise dem
nordamerikanischen Muster (Präsidialsystem) folgt.“
- Auswärtiges Amt
Dem folgend habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es in Costa Rica in Bezug auf die Wahrung der Menschenrechte, Schutz von Minderheiten und der Natur, wie es im Falle des PH Diquis
gänzlich scheitert, in naher Zukunft zu einer Besserung kommen könnte.